Prooemium / Junos Zorn (1, 1 - 158)................................................ 2
Ankunft in Libyen (1, 159 - 222)........................................................ 6
Die Jupiterrede (1, 226 - 296)........................................................... 8
Aeneas auf Erkundungstour (1, 297 - 410)..................................... 10
Aeneas in Karthago (1, 411 - 626).................................................. 13
Feier mit Dido (1, 627 - 756)........................................................... 18
Ich
besinge die Waffen und den Mann, der als erster von der Küste Trojas auf der
Flucht vor dem Schicksal nach Italien kam, nämlich an die Lavinischen Gestade;
jener wurde zu Lande und zu Wasser von hoher Göttergewalt arg gebeutelt wegen
des unversöhnlichen Zorns der Juno, erlitt dazu auch noch viel im Krieg, bis er
die Stadt gründete und die Götter nach Latium brachte, woher das Latinische
Geschlecht, die Väter Albas und die hohen Mauern Roms entstammen. Muse, rufe
mir ins Gedächtnis, wodurch die göttliche Macht verletzt wurde oder worüber die
Königin der Götter so große Schmerzen hat, dass sie den Mann, den
Rechtschaffenheit auszeichnet, zwingt, so große Schicksalsschläge auszuhalten
und so große Mühen auf sich zu nehmen. Haben die Götter so großen Zorn in ihren
Herzen?
Es gab eine uralte Stadt, bewohnt von tyrischen Siedlern: Karthago, gegen
Italien hin gelegen und von der Tibermündung weit entfernt, reich an Schätzen
und überaus rauh in ihrem Kriegseifer. Es ist überliefert, da6 Juno ihrer
allein sich angenommen hatte vor allen Ländern, mehr noch als Samos. Hier
befanden sich ihre Wehr und hier ihr Wagen. Und diese Stadt zur Herrscherin
über die Völker zu machen, wenn es der Lauf der Dinge irgend zulie6, war damals
schon der sehnlichste Wunsch der Göttin. Aber sie hatte auch vernommen, aus
trojanischem Blut werde ein Geschlecht entstehen, das dereinst die tyrischen
Festen niederreißen sollte; ein Volk werde daraus kommen, das, Herr über weite
Gebiete und hochmütig durch Kriegsglück, Libyen den Untergang bringen werde. So
wollten es die Parzen. Dies fürchtete die Tochter des Saturn, denn sie entsann
sich des einstigen Krieges, den sie, allen voran, für ihr geliebtes Argos vor
Troja geführt hatte. Noch immer hatte sie, was sie erzürnte, nicht verwunden
und nicht die bitteren Kränkungen: Im Innersten ärgerte sie noch das Urteil des
Paris und die Ungerechtigkeit, mit der es ihre Schönheit herabsetzte, grollte
sie noch gegen sein ganzes Geschlecht und gegen die Ehren, die dem entführten
Ganymed zuteil wurden. In diesem Groll jagte sie dahin über Meeresflächen die
Troer, die den Danaern und dem erbarmungslosen Achilles entkommen waren, hielt
sie von Latium fern, und lange Jahre irrten sie, getrieben vom Schicksal, auf
allen Meeren umher. So große Mühen waren notwendig, dass das Volk der Römer
werde. Eben setzten sie heiter die Segel und fuhren, während die Küste
Siziliens zurückwich, aufs hohe Meer, und mit ehernem Bug wühlten sie sich
durch salzigen Schaum. Da spürte Juno wieder die alte Wunde in ihrer Brust und
sprach zu sich selbst: "Soll ich von meinem Vorsatz absehen? Soll ich mich
geschlagen geben? Kann ich den König der Teukrer nicht von Italien ablenken?
Gewiss, das Schicksal verwehrt es mir! Aber hat nicht Pallas die Flotte der
Argiver in Brand setzen und sie alle im Meer ertränken können, nur weil Ajax,
der Sohn des Oileus, in seinem Wahnwitz sich gegen sie vergangen hatte.' Sie
schleuderte den Blitzstrahl Jupiters aus den Wolken. Sie jagte die Schiffe
auseinander und wirbelte mit Stürmen das Meer auf. Ihn selbst, Ajax, der aus
durchbohrter Brust Flammen atmete, riss sie in einen Strudel und spießte ihn
auf eine spitze Klippe. Ich dagegen, die ich als Königin wandle unter den
Göttern, Jupiters Schwester und Gemahlin, ich muß dies eine Volk so viele Jahre
hindurch bekriegen! Wer wird mich dann noch anbeten und flehend an meinen
Altären opfern?" Solche Gedanken wälzte die Göttin flammenden Herzens, und
sie begab sich in die Heimat der Wolken, in das Land, das trächtig von
heulenden Südwinden ist, nach Aeolien. Hier hält König Aeolus in weitläufiger
Hohle die raufenden Winde und die tosenden Unwetter in seiner Gewalt und
bezähmt sie durch Fesseln und Kerker. Voll Empörung toben sie in der Runde
gegen verschlossene Tore, und laut dröhnt davon das Gebirge. Aeolus sitzt hoch
oben in seiner Burg und führt das Zepter, besänftigt sie und zügelt ihr Wüten.
Unterließe er dies, rissen sie ungestüm mit sich Länder und Meere und den
tiefräumigen Himmel und wirbelten sie durch die Lüfte. Doch der allmächtige
Vater sperrte sie, dies befürchtend, in die stockfinsteren Höhlen, türmte
Felsen und hohe Berge darüber und gab ihnen einen Herrscher, der genau wusste,
wann er sie nach bestimmter Satzung zu bändigen und wann er ihnen die Zügel zu
lösen hatte. An ihn nun richtete Juno flehend die Worte: "Aeolus, dir
verlieh doch der Vater der Götter und König der Menschen Gewalt, das Meer zu
glätten oder es aufzupeitschen im Sturm! Ein Volk, mir feindselig gesinnt,
segelt übers Tyrrhenische Meer; Ilium und seine besiegten Penaten nimmt es mit
nach Italien. Flöße den Stürmen Gewalt ein, drücke nieder und versenke die
Schiffe! Oder jage sie auseinander und streue die Leichen aus über das Meer!
Ich besitze zweimal sieben Nymphen von überaus reizender Gestalt, und Deiopea,
die am schönsten gewachsene, werde ich dir im Beilager vereinen und für immer
zu eigen geben, auf dass sie dir einen so großen Dienst entgelte und alle Zeit
mit dir lebe und dich zum Vater schöner Kinder mache." Aeolus erwiderte
darauf: "O Königin, du brauchst nur kundzutun, was du wünschst; an mir ist
es, deine Befehle auszuführen. Denn du verschaffst mir mein Reich, mein Zepter
und Jupiters Gunst. Du gewährst mir, mich niederzulegen bei den Gastmählern der
Götter und machst mich zum Gebieter über Gewölk und Gewitter." Als er dies
gesagt hatte, schlug er mit umgedrehter Lanze: gegen die Flanke des hohlen
Gebirges. Da sammeln wie ein Heerhaufen sich die Winde und brechen, wo die Tore
offen stehen, hervor und ergießen sich wirbelnd über die Erde. Sie werfen sich
aufs Meer, und der Südost vereint mit dem Süd, dazu der sturmdräuende Südwest,
wühlen es auf bis zum Grund und wälzen unabsehbare Wogen auf die Küsten.
Sogleich hebt an das Geschrei der Seeleute und das Ächzen der Taue. Wolken
raffen plötzlich den Himmel und das Tageslicht aus den Augen der Teukrer:
Schwarze Nacht breitet sich über das Meer. Im Himmelsgewölbe kracht der Donner,
und von dicht aufeinander folgenden Blitzen flackert der Aether; überallher
tritt den Seefahrern drohend nahe der Tod. Alsbald lähmt kaltes Entsetzen
Aeneas die Glieder. Er seufzt auf, und beide Hände zu den Sternen erhoben, ruft
er mit lauter Stimme: "O ihr dreimal und viermal Glückseligen, denen
vergönnt war, im Angesicht unserer Väter, unter den hochragenden Mauern Trojas
euer Ende zu finden. O du Tapferster unter den Danaern, Sohn des Tydeus! Warum
durfte nicht ich auf dem Schlachtfeld vor Ilium fallen und unter deiner Rechten
dies mein Leben aushauchen dort, wo der grimmige Hektor hingestreckt wurde vom
Geschoß des Aeakiden, wo der stürmische Sarpedon fiel und wo der Simnis die
Schilde so vieler Kämpfer unter seine Wellen riss und nun Helme und die Leichen
der Helden dahinwälzt?" Während er so sich beklagt, reißt von Norden
heulender Sturm die Segel herum und türmt die Wellen bis zu den Sternen. Die
Ruder splittern, dann neigt sich der Bug und bietet den Wellen die Seite, und
sogleich bricht jäh aus der Hohe ein Berg von Wasser hernieder. Die einen
schwanken auf hoher Flutwelle, vor den anderen legt eine berstende Woge
zwischen den Wassern den Meeresboden frei, und die brandenden Wellen wühlen den
Sand auf. Drei treibt der Südwind ab und schmettert sie gegen verborgene
Klippen, Klippen mitten im Meer, die Italiker nennen sie "Altäre",
ein mächtiger Bergrücken dicht unter der Oberfläche des Meeres. Drei treibt der
Südostwind aus der offenen See in die L'ntiefen der Syrten, und er rammt sie,
ein Anblick des Jammers, in den seichten Grund und umgibt sie mit Sanddämmen.
Ein Schiff, es ist das, auf dem die Lykier fuhren und der getreue Orontes,
erfasst vor des Aeneas Augen mit Wucht das sich aufbäumende Meer beim Heck, und
es reißt den Steuermann los und schleudert ihn über Bord. Das Schiff aber wird
von der Flut dreimal auf der Stelle herumgedreht, dann schlingt es ein
reißender Strudel hinab. Wenige Schwimmer tauchen auf in der wogenden Weite.
Die Waffen der Leute und die Schiffsplanken und die Schätze der Troer schaukeln
auf den Wellen. Schon hat das starke Schiff des Ilioneus, das des tapferen
Achates, das, welches den Abas, und das, welches den bejahrten Aletes trug, der
eisige Sturm überwältigt: Die Gefüge der Flanken treten auseinander, sie lassen
alle die feindlichen Sturzseen ein und gehen aus den Fugen. Unterdessen hört
Neptun mit tiefer Besorgnis, wie Aas Meer unter großem Getöse in Aufruhr gerät
und der Sturm darüber hinbraust und wie vom untersten Grund der Schlamm
aufwirbelt. Und das Meer überschauend, hebt er sein friedfertiges Antlitz heraus
aus der Welle. Da sieht er auf der Wasserfläche überall auseinandergerissen des
Aeneas Flotte treiben, sieh t die Troer schwer bedrängt von den Fluten und dem
Verderben des Himmels. Daß alles Junos Niedertracht und Zorn war, konnte ihm,
ihrem Bruder, nicht entgehen. Er befiehlt zu sich Eurus und Zephyr und spricht
darauf: "So weit hat euch die Vermessenheit eurer Sippschaft geführt. Ohne
meine Erlaubnis wagt ihr es schon, ihr Winde, Himmel und Erde
durcheinanderzuwerfen und solche Sturmwogen aufzurühren? Ich werde euch...!
Aber zuerst tut es not, die aufgewühlte See zu glätten! Beim nächsten Mal sollt
ihr mir nicht mit so leichter Buße davonkommen! Macht, daß ihr fortkommt, und
sagt euerem König das eine: Nicht ihm hat das Los die Gewalt über die Meere und
den grimmigen Dreizack zugesprochen, sondern mir! Ihm unterstehen die
ungeheuren Felsen, wo ihr, Eurus, zu Hause seid. Dort in seinem Saal mag Aeolus
sich aufspielen und walten über die Winde, wenn ihr Kerker verschlossen
ist." So sprach er. Und ehe noch seine Rede zu Ende ist, bringt er das
wallende Meer zur Ruhe, verjagt die versammelten Wolken und führt wieder die
Sonne hervor. Cymothoe und Triton schieben, vereint sich anstemmend, die
Schiffe von scharfkantiger Klippe. Neptun selbst hebt sie mit seinem Dreizack
an und bahnt eine Fahrrinne durch die unwegsamen Sandbänke, streicht das Meer
glatt und gleitet mit flüchtigen Rädern über die Spitzen der Wellen. Und es war
wie so oft, wenn eine Volksmenge in Aufruhr gerät und der Abschaum sich empört.
Schon fliegen Brandfackeln und Steine; Wut verschafft sich Waffen. Da aber
erblicken sie plötzlich einen Mann, wohl angesehen durch Rechtschaffenheit und
Verdienst, schweigen alle und stehen da und spitzen die Ohren. Mit seinen
Worten beherrscht er die Gedanken und besänftigt die Gemüter. Ebenso senkte
sich überall das Gewoge des Meeres, nachdem der Vater, die Weiten überschauend,
seine Pferde aus dem heiteren Himmel gelenkt und, mit seinem Wagen dahineilend,
die Zügel gelockert hatte. Erschöpft bemühen sich Aeneas und seine Gefährten,
die nächstliegende Küste anzusteuern, und sie werden an Libyens Strand
verschlagen.
Fern
in der Bucht liegt ein Ort: die Insel schafft durch das Hervortreten der beiden
Küsten einen (natürlichen) Hafen, an denen sich jede Welle vom hohen Meer
bricht und sich und landeinwärtige Buchten spaltet. Links und rechts drohen öde
Klippen und zwei Bergspitzen in den Himmel, unter deren Gipfel die Meere
weithin ungefährlich schweigen; darüber lag dann, von lichtem Wald umsäumt, ein
Platz, und ein dunkler Hain droht mit schrecklichem Schatten. Auf der
gegenüberliegenden Seite befand sich unter den hängenden Felsen eine Höhle;
darin befinden sich süße Wasser und natürliche Sitze aus lebendigem Felsen, die
Behausung der Nymphen. Hier halten keine Fessel die ermüdeten Schiffe, kein
Anker hält sie mit gekrümmtem Zahn. Hierhin fährt Aeneas, nachdem aus der
ganzen Anzahl (von Schiffen) sieben Schiffe gesammelt wurden, und bemächtigen
sich nach ihrer Ankunft in brennender Liebe nach festem Boden des erwünschten
Sandes und strecken die vor Seewasser triefenden Glieder auf dem Strand von
sich. Und zuerst schlägt Achates mit einem Feuerstein Funken und nimmt mit
Blättern das Feuer auf, gibt trockene Nahrungsmittel darum und lässt im Zunder
eine Flamme auflodern. Dann schaffen sie, müde von den Ereignissen, von den
Fluten verdorbenes Getreide und Geräte des Ceres herbei und schicken sich an,
die geretteten Früchte in den Flammen zu rösten und am Felsen zu brechen. Aeneas
besteigt inzwischen die Bergspitze und strebt einen Gesamtblick weit auf das
Meer an, ob er den vom Wind verschlagenen Antheus sieht und die Phrygischen
Zweirudrer oder Capys oder die Waffen des Caicus hoch am Heck. Kein Schiff in
Sicht, sieht er auf dem Strand drei Hirsche umherirren; ihnen folgen von hinten
ganze Herden und eine lang gezogene Schar weidet sich in den Niederungen. Hier
stellt er sich hin und ergreift hastig mit der Hand den Bogen und die schnellen
Pfeile, die der treue Achates als Wurfgeschosse getragen hatte, und selbst die
Führer, die die Häupter mit baumähnlichen Geweihen hoch tragen, streckt er
zuerst dahin, dann bringt er das Rudel durcheinander und, indem er sie durch
die belaubten Haine mit Wurfgeschossen treibt, die ganze Menge; und er lässt
nicht eher ab, bis er -gemäß der Anzahl der Schiffe - siegreich sieben mächtige
Körper (von Hirschen) zur Strecke bringt; von hier strebt er auf den Hafen hin
und teilt die Beute unter allen Kameraden. Man teilte dann die Weine, die der
gute Acestes an der Trinakrischen Küste in Krüge gefüllt und der Held ihnen zum
Abschied übergeben hat, schenkt er nun aus, und er tröstet die betrübten Herzen
mit folgenden Worten: "O meine Freunde! Im Unglück sind wir bislang ja
nicht unerfahren. Schwereres habt ihr alle schon durchgestanden, und auch
diesem wird ein Gott ein Ende setzen. Ihr wart der rasenden Skylla so nahe und
den aus der Tiefe donnernden Felsschlünden. Die Felsbrocken der Cielopen kennt
ihr. Ermannt euch und überwindet eure klägliche Furcht! Später werdet ihr
sicher auch daran gern zurückdenken. Durch vielerlei Not, durch zahlreiche
Prüfungen verläuft unser Weg nach Latium. Dort gewährt uns das Schicksal,
friedlich zu wohnen, dort ist uns vergönnt, dass Trojas Reich neu erstehe.
Bleibt standhaft und bewahrt euch für die glücklicheren Zeiten!" So redet
er laut, und selbst noch bedrückt von heftigen Sorgen, bemüht er sich, Hoffnung
in seinen Blick zu legen, und verschließt seine tiefe Wehmut im Herzen. Die
Gefährten machen sich über die Beute her und bereiten die Mahlzeit vor. Sie
reißen die Häute von den Rippen und legen das Fleisch bloß. Die einen
zerschneiden es und stecken die noch zuckenden Stücke an Spieße. Andere stellen
am Strand die Kessel auf und schüren das lodernde Feuer. Dann lassen sie vom
Mahl sich wieder zu Kräften bringen. Sie liegen im Gras und sättigen sich an
altem Wein und saftigem Wildbret. Sobald sie schmausend ihren Hunger gestillt
haben und die Reste des Mahles beiseite geräumt sind, gedenken sie in langem
Gespräch der verlorenen Gefährten. Sie schwanken zwischen Hoffnung und Bangen,
ob man sie noch am Leben glauben dürfe oder ob sich ihr Schicksal erfüllt habe,
so dass kein Ruf mehr sie erreicht. Vor allem betrauert der götterfürchtige
Aeneas bei sich bald das Schicksal des tatkräftigen Orontes, bald das des
Amycus, das bittere Geschick des Lycus und die tapferen Helden Gyas und
Cloanthus.
Und
dann verstummten die Klagen. Jupiter überschaute aus der Höhe des Aethers das
von Segeln getupfte Meer und die hingebreiteten Länder, die Küste und die
verstreuten Volker. Und im Scheitel des Himmels verweilte er und heftete seinen
Blick auf das libysche Reich. Und während so schwere Sorgen seine Brust
bewegten, sprach Venus, trauriger noch und mit tränenglänzenden Augen, zu ihm:
"O der du mit ewiger Vollmacht waltest über die Geschicke der Menschen und
der Götter und mit deinem Blitz Schrecken verbreitest! Womit konnte mein Aeneas
sich so sehr gegen dich vergehen? Was konnten die Troer denn anrichten, daß
ihnen, nachdem schon so viele den Tod gefunden haben, überall gegen Italien hin
der Erdkreis versperrt ist? Hattest du nicht gewißlich verheißen, daß dereinst
im Kreislauf der Jahre aus dem wiedererstandenen Blut des Teuerus die Römer
hervorgehen als Herrscher, die gebieten sollen mit jeglicher Befugnis über
Meere und Länder? Was hat, Vater, dich umgestimmt? Dies war doch, als Troja
fiel und so jammervoll unterging, mein Trost, indem ich Unglück aufwog durch
Glück! Aber nun verfolgt dasselbe Unheil noch immer die Helden, die schon so
vieles durchgestanden haben. Welches Ende gedenkst du, großer Herrscher, ihrem
Leid zu setzen? Antenor, der aus der Umzingelung der Achiver entkam, konnte in
den Illyrischen Meerbusen segeln und tief im Reich der Liburner in Sicherheit
das Wasser des Timavus eindämmen, wo er unter dem dumpfen Donner des Gebirges
aus neun Schluchten hervorströmt wie ein Meer, das sich aufbäumt, und sich mit
brausender Flut in die Felder ergießt. Dort hat er dennoch die Stadt Patavium
gegründet und seine Teukrer angesiedelt, hat dem Volk einen Namen gegeben und
Troja aufs neue gerüstet. Jetzt genießt er in Wohlstand den angenehmen Frieden.
Wir aber, deine Nachkommen, denen du zugesagt hast, einst würden wir in der
Feste des Himmels wohnen, wir verlieren unsere Schiffe! - Was für ein Unrecht!
- Preisgegeben sind wir wegen des Grolls der einen, und weit bleiben wir
entfernt von den Küsten Italiens. Lohnt man die Ehrfurcht so? Setzt du uns so
wieder in die Herrschaft ein?" Mit jenem Lächeln im Antlitz, das Himmel
und Unwecter beschwichtigt, küßte der Vater der Menschen und der Götter seine
Tochter sanft und antwortete dann: "Ängstige dich nicht, Cytherea,
unabänderlich bleibt dir, was ich über deine Schutzbefohlenen beschlossen habe.
Die Stadt wirst du erblicken und die Mauern Laviniums, die ich dir versprach,
und hinauf zu den Gestirnen wirst du den hochgesinnten Aeneas erheben. An
meinen Absichten hat sich nichts geändert. Aber ich will dir, da nun einmal
diese Besorgnis dich quält, ausführlicher die Geheimnisse der Zukunft sagen und
rolle sie dir auf: Einen schrecklichen Krieg wird er in Italien führen und
wilde Völkerschaften bezwingen, den Männern Gesetze geben und Städte gründen,
bis der dritte Sommer ihn als König von Latium sieht und dreimal der Winter
hinging über die endlich unterworfenen Rutuler. Und sein Sohn Ascanius, der
dann den Namen Julus erhalten wird, Ilus vordem, als Iliums Macht noch
ungebrochen war, soll, während dreißigmal die Monde ihre weiten Kreise drehen,
immer vollkommener werden an Macht, und den Sitz seiner Herrschaft wird er von
Lavinium tragen nach Alba Longa und es kraftvoll befestigen. Dort soll dann bei
den Nachkommen Hektors volle drei Jahrhunderte lang die Herrschergewalt
bleiben, bis die Priesterin Ilia, Tochter des Königshauses, schwanger gehen von
Mars und ihm Zwillinge gebären wird. Darauf soll Romulus heiter, angetan mit
dem graugelben Fell der Wölfin, die ihn gesäugt hat, das Geschlecht fortsetzen
und Mauern errichten, wie Mars sie liebt, und die Römer nach seinem Namen
benennen. Ihnen setze ich kein Ende und keine Frist, grenzenlose Macht habe ich
ihnen bestimmt. Sogar Juno, die Schroffe, die jetzt noch aus Furcht Meer, Erde
und Himmel heimsucht, wird ihren Sinn zum Besseren wandeln und gleich mir die
Römer begünstigen, die Gebieter der Welt, das Volk in der Toga. Das ist
beschlossen! Eine Epoche wird kommen im Lauf der Zeiten, da zwingt das Haus des
Assaracus auch Phthia und das ruhmreiche Mykenae nieder in Botmäßigkeit und
herrscht über das besiegte Argos. Aus edlem Geschlecht wird Caesar geboren,
Nachfahr der Troer, der das Reich bis an den Ozean und seinen Ruhm zu den
Sternen trägt. Julius soll er heißen nach seinem großen Ahnherrn Julus; du
wirst ihn, sei dessen sicher, dereinst im Himmel empfangen können, wenn er
beladen mit Beute aus dem Orient erscheint. Auch bei seinem Namen wird man
einst Eide leisten. Dann nehmen die Kriegswirren ein Ende, und die harten
Zeiten werden sich mildern. Fides, die altersgraue, Vesta und Quirinus, vereint
mit dem Bruder Remus, sollen Gesetze erlassen. Mit Eisen und Klammern werden
die unheilkündenden Pforten des Krieges verriegelt. Drin wird, die Arme
rücklings gebunden mit hundert ehernen Ketten, die ruchlose Kriegsfurie, auf
ihren Mordwerkzeugen hockend, schauerlich schnauben aus blutigem Rachen."
Dies
sagte er und schickt den Sohn der Maia von oben, damit die Länder und Burgen
des neuen Karthago den Teucrern vor Gastfreundschaft offen stehen, damit Dido,
die nichts vom Schicksal wusste, sie nicht vom Gebiet abhalte. Jener fliegt
durch die Lüfte mit dem Ruder seiner Flügel und steht schnell auf den Küsten
Libyens. Und schon führt er das Aufgetragene aus, und die Poenier besänftigen
ihre wilden Herzen, wie es der Gott wollte; besonders die Königin nimmt eine
friedliche Gesinnung gegen die Teucrer und eine gütige Gedanken. Doch der
fromme Aeneas, der durch die Nacht soviele Gedanken im Geiste wälzt, beschloss,
sobald zuerst das segenspendende Licht gegeben wurde, herauszugehen und die neuen
Plätze zu erkundschaften, an welche Küsten er durch den Wind herangekommen ist,
zu fragen, wer hier wohnt (denn er sah unbebautes Land), ob es Menschen oder
wilde Tiere sind und die eingeholte Information den Kameraden zu erzählen. Er
verbirgt die Flotte in der Wölbung der Haine unter der gewölbten Klippe,
eingesperrt von Bäumen ringsum und düsteren Schatten; er selbst läuft,
lediglich in Begleitung von Achates, und schwingen in der Hand je zwei Lanzen
mit weiter Schneide. Ihm begegnete mitten im Wald die Mutter, wobei sie das
Gesicht und das Aussehen einer Jungfrau und die Waffen einer jungfräulichen
Spartanerin hatte, wie entweder die Thrakerin Harpalye die Pferde erschöpft und
den schnellen Hebrum bei der Flucht voranläuft.
Denn die Jägerin hatte nach der Sitte einen leichten Bogen um ihre Schulter(n)
gehängt und ließ das Kopfhaar im Winde flattern, ihr Knie war nackt und mit
einem Gürtel wurde das fließende Gewand zusammengerafft. Und zuerst sprach sie:
"He da, Junge Leute, zeigt, wenn ihr zufällig irgendeine meiner Schwestern
hier habt herumirren sehen, wie sie mit einem Köcher und dem buntgefleckten
Fell des Luchses umgürtet war oder dem Lauf des schäumenden Ebers mit Geschrei
hart zusetzte." So sprach Venus und das sagte ihr Sohn darauf: "Von
deinen Schwestern habe ich weder etwas gehört noch gesehen, oh wie soll ich
dich nennen, Jungfrau? Denn du hast kein sterbliches Antlitz, und die Stimme
tönt nicht wie die eines Menschen; oh, gewiss eine Göttin (oder eine Schwester
des Phoebus? Oder eine von nymphischen Blute?), sei glücklich und erleichtere
unsere Arbeit, wer auch immer du bist, und lehre uns, unter welchen Himmel wir
endlich, an welche Küsten des Erdkreises wir geworfen werden: wir wissen nichts
von den Menschen und Orten hier und irren vom Wind und den weiten Fluren
getrieben hierher. So manches Opfertier wird dir zu Ehren vor den Altären durch
unsere Hand fallen."
Da sprach Venus: "Ich freilich halte mich solcher Ehre nicht würdig; die
tyrischen Jungfrauen haben die Sitte, den Köcher zu tragen und die Waden mit
dem purpurnen Jagdstiefel hochzuschnüren. Du siehst die punischen Königreiche,
Tyrien und die Stadt des Agenor; aber (auch) das Gebiet der Libyer, ein Volk
das im Krieg unbeugsam ist. Dido leitet das Reich, nachdem sie aus der Stadt Tyrus
aufbrach, auf der Flucht vor ihrem Bruder. Lange ist das Unrecht, lange die
Umschweife; ich werde aber die Hauptpunkte der Situation vortragen. Die hatte
den Ehegatten Synchaeus, der reichste an Gold unter den Phoeniziern, und
leidenschaftlich von der Armen geliebt. Ihm hatte sie unberührt der Vater
gegeben und in erster Ehe vermählt. Das Königreich Tyrus hielt jedoch ihr
Bruder Pygmalion, im Verbrechen grausamer vor allen anderen. Mitten zwischen
diese kam ein Streit. Der Frevelhafte tötet Sychaeus vor dem Altar und blind
vor Liebe zum Gold heimlich mit einem Schwert, ohne sich um die Liebe der
Schwester zu kümmern; und lange Zeit verheimlichte der die Tat und verspottete
die kranke Liebende mit leerer Hoffnung, indem der Schlechte viel vorheuchelte.
Aber im Schlaf kommt das Bild des unbeerdigten Ehemannes selbst und erhebt das
bleiche Gesicht auf wundersame Weise; er entblößte die grausamen Altäre (bzw.
die Altäre, bei denen der grausame Mord geschah...) und die Brust, die vom
Schwert durchbohrt war und deckt das ganze düstere Verbrechen auf, das in
diesem Haus geschehen ist. Dann rät er zu fliehen und die Heimat zu
verlassen.und zeigt als Hilfe für unterwegs alte Schätze in der Erde, eine
unbekannte Menge an Silber und Gold. Dadurch veranlasst bereitet Dido die
Flucht vor und Genossen um sich. Es kommen Leute zusammen, die entweder
grausamen Hass auf den Tyrannen oder heftige Furcht haben; ein Schiff, das
zufällig bereit liegt, reißen sie an sich und beladen es mit Gold. Der Reichtum
des habgierigen Pygmalion wird über das Meer gebracht. Anführer der Tat war
eine Frau. Sie kamen an Orte, wo du nun die ungeheuren Mauern und die Burg des
neuen Karthago sich erheben siehst, und kauften Grund, nach dem Handel Brysa
benannt, soviel wie sie mit der Haut eines Stiers umspannen konnten. Aber wer
seid ihr endlich? Oder von welchen Küsten seid ihr gekommen? Oder wohin führt
euer Weg?" Jener atmete tief ein, seine Stimme drang aus tiefster Brust
und sprach zu ihr, die solches fragte: "Oh Göttin, wenn ich ganz von vorne
(= vom allerersten Anfang) beginnen soll und Zeit steht, von unseren Leiden zu
hören, wird davor der Abendstern den Tag beenden, nachdem der Olymp geschlossen
wurde. Wir sind aus dem alten Troja, wenn der Name Troja zufällig zu euren
Ohren gekommen ist, ein Unwetter brachte uns, als wir in kreuz und quer durch
die Meere fuhren nach seinem Willen an die Küsten Libyens. Ich bin der fromme
Aeneas, der die Penaten, die dem Feind geraubt wurden, mit mir im Schiff führe,
mein Ruhm ist über den Himmel hinaus bekannt. Ich suche die Heimat Italien, und
stamme aus dem Geschlecht des höchsten Jupiter. Ich habe das phrygische Meer
mit 20 Schiffen bestiegen, ich folgte dem gegebenen Schicksal, indem die
göttliche Mutter den Weg wies; kaum sieben Schiffe sind von den Wogen und dem
S-O-Wind zerschellt übrig. Ich selbst unwissend und bedürftig, durchschreite
die Wüsten Libyens, von Europa und Asien vertrieben." Venus ließ ihn nicht
noch mehr klagen und redete mitten in seine kummervolle Rede dazwischen:
"Wer auch immer du bist, nicht als einer, der den Himmlischen verhasst
bist, glaube ich, atmest du die Luft zum Leben, da (, "qui" mit
Konjunktiv Nebensinn) du zur tyrischen Stadt gekommen bist; fahre nur fort und
begib dich von hier zum Palast der Königin. Denn ich verkünde dir, dass die
Gefährten zurückgekehrt sind und die Flotte zurückgeführt und, nachdem sich der
Nordwind gedreht hatte, an sicheres Ufer getrieben wurde, wenn meine Eltern
mich nicht völlig umsonst die Kunst des Weissagens gelehrt haben. Betrachte die
14 fröhlichen Schwäne im Strom, die der Adler Jupiters, der aus der Zone des
Himmels hinabgeglitten war und am weiten Himmel in Unruhe brachte; jetzt
erreichen sie in langer Reihe die Erde oder scheinen auf die Erdteile, die
schon erreicht wurden, herabzublicken: wie jene, wenn sie zurückkehren, mit
ihren rauschenden Flügeln spielen und im Schwarm das Meer umkreisen und Schreie
ausstoßen, nicht anders sind deine Schiffe und deine junge Mannschaft im Hafen
oder laufen mit gesetztem Segel in die Mündung dorthin ein. Fahre nur fort und
richte deinen Lauf dorthin, wohin dich der Weg führt." Das sprach sie und
als sie sich abwandte glänzte ihr Nacken rosig, und das ambrosische Haar
verströmte vom Scheitel ab einen göttlichen Duft.; das Gewand floss bis zu den
Fußsohlen herab und im Gang wurde ihr wahres göttliches Wesen offensichtlich.
Sobald jener die Mutter erkannt hatte, folgte er der Flüchtenden mit solchen
Worten: "Was verhöhnst du deinen Sohn, auch du Grausame, sooft mit
Trugbildern? Warum dürfen wir uns die Hände nicht reichen und wahre Worte hören
und sprechen?" Damit beschuldigt er sie und lenkt seinen Schritt zur
Stadt.
Doch
Venus umgab die Wandernden mit einem finsteren Nebel, die Göttin hüllte sie in
eine dichte Nebelhülle ringsum, damit keiner sie weder sehen noch berühren,
aufhalten oder nach den Gründen ihres Kommens fragen kann. Sie selbst
verschwand in die Höhe nach Paphos und kehrte fröhlich an ihren Wohnsitz
zurück, wo hundert Altäre von Sabaeischem Weihrauch warm sind und duften vor
frischen Kränzen. Inzwischen beschleunigten sie den Weg, wie der Pfad ihn wies
und schon stiegen sie den Hügel hinauf, der am weitesten über die Stadt ragt
und den Blick von oben auf die Burg gegenüber freigibt. Aeneas bewundert den massigen
Bau, einst eine Hütte, er bewundert die Häfen und das Lärmen und die
gepflasterten Straßen. Brennend vor Eifer sind die Tyrier bei der Arbeit: ein
Teil zieht Mauern, baut an der Burg und wälzen mit den Händen Steinbrocken
empor, ein Teil wählt einen Platz für ihr Haus und umgrenzen es mit einer
Furche; sie wählen Rechte und Ämter und einen ehrwürdigen Senat. Hier heben die
einen Hafenbecken aus; dort legen die anderen tiefe Grundsteine für Theater,
und hauen Säulen aus riesigen Felsen, passende Zierde für zukünftige
Aufführungen: wie die Bienen im Frühsommer die Arbeit unter der Sonne durch das
blumige Land plagt, wenn sie die ausgewachsene Brut des Volkes herausführen
oder wenn sie klaren Honig aufhäufen und die Waben mit süßem Nektar prall
anfüllen, oder die Last derer, die ankommen, empfangen, oder in Reih und Glied
die Drohnen, das faule Volk, von den Bienenkörben abhalten; Der Bienenstock
lärmt und der duftende Honig riecht nach Tymian. "Oh ihr Glücklichen, von
denen die Mauern sich schon erheben!" Das sagte Aeneas und sieht zu den
Giebeln der Stadt hinauf. Er begibt sich, umgeben vom Nebel (wundersam zu
sagen), mitten durch die Stadt, mischt sich unter die Menschen und wird von
keinem gesehen.
Mitten in der Stadt befand sich ein Hain, äußerst schattenreich. An diesem Ort
gruben zuerst die Punier, nachdem sie von Wogen und Wind umhergeworfen worden
waren, ein Zeichen aus, das ihnen die königliche Juno gezeigt hatte, nämlich
das Haupt eines feurigen Pferdes; denn so werde das Volk im Krieg herausragend
sein und das Leben über Jahrhunderte hindurch mühelos meistern. Hier gründete
die Sidonerin Dido einen ungeheuren Tempel für Juno, reich an Geschenken und
dem Walten einer Göttin. Dem Tempel erhoben sich aus den Stufen goldene
Schwellen und Pfosten, die mit Erz befestigt waren, und die Türangel ächzt von
der ehernen Tür.
In diesem Hain linderte zuerst ein unerwarteter Anblick die Furcht, hier wagte
es Aeneas zuerst, auf Rettung zu hoffen und im Unglück wieder zu vertrauen.
Denn während er am Fuße des riesigen Tempels einzelne Bilder musterte und auf
die Königin wartete, während er bewundert, welches Glück diese Stadt habe und
das ineinandergreifende Werk der Künstler und die Mühe für das Werk bewundert,
sieht er der Reihe nach die Kämpfe um Ilium und die Schlachten, die sich durch
ihren Ruhm schon über den ganzen Erdkreis verbreitet haben, er sieht die
Atriden, Priamus und Achilles, der auf beide wütend (Dativ!!!) ist. Er stand da
und sprach unter Tränen: "Achates, welcher Platz, welche Gegend auf Erden
ist nicht voll von unserem Leid? Siehe Priamus. Auch hier hat Ruhm seine
Belohnungen, auch hier werden Tränen über den Lauf der Dinge vergossen und
Schicksalsschläge sterblicher Menschen berühren das Gemüt. Verbanne die Furcht;
dieser Ruhm wird dir irgendeinen Ruhm einbringen." So sprach er und
weidete seinen Geist an der illusorischen Malerei, seufzte dabei sehr und
benetzt das Gesicht mit reichlich Tränen. Denn er sah, wie die Griechen, die um
Pergamum kämpften hierher flüchteten, die junge trojanische Mannschaft
bedrängten sie; dort die Phryger, sie bedrängte der helmbuschtragende Achilles
in seinem Wagen. Nicht weit davon erkennt er weinend die Zelte des Rhesus mit
ihren schneeweißen Bahnen, die zur Zeit des ersten Schlafes verraten der
blutdurstige Tydidies in einem großen Gemetzel verwüstete, und die wütenden
Pferde in das Lager lenkte, bevor sie Speise Troias gekostet und aus dem
Xanthus getrunken hatten. An anderer Stelle flieht Troilus nach dem Verlust der
Waffen, der unglückliche Junge und im Kampf dem Achilles ungleich, er wird von
den Pferden mitgeschleift und hängt rücklings am leeren Wagen, und hält dennoch
die Zügel; Nacken und Haare werden ihm über die Erde geschleift, und die
umgedrehte Lanze hinterlässt Spuren im Sand. Inzwischen gingen ilische Frauen
der erzünten Pallas zum Tempel mit gelösten Haaren und bringen flehend einen
Prachmantel und traurig schlugen sie sich mit den Handflächen auf die Brust;
die Göttin hielt ihre Augen abgewandt auf den Boden. Dreimal hatte Achilles
Hektor um die ilischen Mauern geschleift und wollte den entseelten Körper für
Geld verkaufen (ein -Problem, das ich auch nicht lösen kann... noch nicht.
vendebat = er wollte verkaufen? Warum?). Da gab Aeneas einen ungeheuren Seufzer
aus tiefster Brust, sobald er die Beutestücke, die Wagen und den Leichnam
seines Freundes selbst und Priamus, der waffenlos seine Hände ausstreckt,
erblickte. Er erkannte auch sich im Kampf mit den Achiverfürsten verwickelt und
die Kampflinie aus dem Osten und die Waffen des schwarzen Memnon. Die wütende
Penthesilea führt den Zug der Amazonen mit halbmondförmigen Schilden und lodert
mitten unter 1000en; unter der entblößten Brust hat die Kriegerin einen
goldenen Gürtel gebunden und eine Jungfrau wagt es, sich mit den Männern im
Kampf zu messen.
Während Aeneas, dem Dardaner, dies alles so
wundersam erschien und er staunend mit einem einzigen Blick daran hing, nahte
dem Tempel die Königin, die überaus wohlgestaltete Dido: hinter ihr ein
zahlreiches Gefolge von Jünglingen. Wie Diana, wenn sie die Ufer des Eurotas
entlang oder über die Berghänge des Cynthus ihren Schwarm führt, zu beiden
Seiten gefolgt von tausend ungebärdigen Oreaden, den Köcher über der Schulter
trägt und unter allen Göttinnen hervorsticht durch die Grazie ihres Schrittes,
so daß Freude Latonas verschwiegene Brust durchzuckt, also erschien Dido.
Ähnlich heiter wandelte sie durch die Menge und traf Anordnungen für die Arbeit
und die künftigen Regierungsgeschäfte. Dann nahm sie am Portal der Göttin,
mitten in der Vorhalle des Tempels, umzäunt von Bewaffneten, auf einem erhöhten
Thronsitz Platz. Sie erteilte ihren Leuten Vollmachten und sprach Recht, und
sie vergab die Lasten des Aufbaus entweder zu gerechten Anteilen, oder sie
lief3 das Los darüber bestimmen. Da plötzlich erblickte Aeneas seine Gefährten
Antheus, Sergestus und den tapferen Eloanthus und andere Teukrer, wie sie sich
zu der versammelten Menge gesellten, alle, die der schwarze Sturm auf See von
ihm abgetrieben und zu einem ganz anderen Strand gespült hatte. Zugleich erscaunte
er und mit ihm zugleich, von Freude und Bangnis ergriffen, Achates. Sie
brannten vor Verlangen, ihren Freunden die Hände zu drücken. Doch die
Ungewißheit, der sie sich gegenübersehen, verwirrt sie. Sie halten sich zurück
und warten ab, verdeckt von ihrer Nebelhülle, um zu hören, wie es ihren
Gefährten ergangen sei, an welchem Strand sie ihre Flotte gelassen haben und
wozu sie hierherkommen. Denn von allen Schiffen waren Auserwählte entsandt
worden, die günstige Aufnahme erbitten sollten, und sie erschienen rufend vor
dem Tempel. Als sie eintreten durften und die Erlaubnis erhielten, vor der
Menge zu reden, begann Ilioneus, der Älteste, gefaßten Sinnes also: "O
Königin, euch gewährte Jupiter, hier eine neue Hauptstadt zu erbauen und durch
Gerechtigkeit anmaßende Völkerschaften zu bändigen. Wir, die unglücklichen
Troer, von Stürmen über alle Meere gejagt, bitten dich: Verhindere die Schmach,
daß man uns die Schiffe anzündet! Behandle uns ehrliche Menschen mit Schonung
und betrachte genauer, was uns widerfuhr! Wir sind nicht gekommen, um eure
Libysche Heimstadt mit dem Schwert zu verwüsten oder Raubgut als Beute zur
Küste zu schleppen.
Solche Gewalt noch so große Dreistigkeit ist den Besiegten im Sinn. Es gibt
einen Platz, den die Griechen mit dem Beinamen Hesperien nennen, ein altes
Land, mächtig durch Waffen und Fruchtbarkeit seiner Scholle; dort wohnen
oenotrische Männer; jetzt geht dsa Gerücht um, Nachfahren hätten das Volk nach
dem Namen ihres Führers Italien genannt. Hier war unser Kurs, als plötzlich der
regenreiche Orion, der sich aus der Flut erhob, uns in unsichtbare seichte
Stellen trug und mithilfe des ungestümen Südwindes weithin über Wellen, während
uns das Meer überragte, und über unwegsame Felsen verstreute; hierher schwammen
wenige von uns an eure Küsten. Was ist dies für ein Menschenschlag? Oder
welches so barbarische Vaterland erlaubt so ein Verhalten? Wir werden am Strand
von der Gastfreundschaft abgehalten; sie beginnen Kämpfe und verbieten, sich
auf den äußersten Rand ihres Landes hinzustellen. Wenn ihr das
Menschengeschlecht und irdische Waffen verachtet, so erwartet, dass sich die
Götter an das Recht oder Unrecht erinnern. Wir hatten den König Aeneas, im
Vergleich zu dem keiner gerechter und pflichtbewusster war, und erfahrener im
Krieg und bei den Waffen. Wenn das Schicksal diesen Mann rettet, wenn er von
Himmelsluft lebt und immer noch nicht im grausamen Schattenreich tot darliegt,
gibt es für uns keine Furcht, und es soll dich nicht reuen, im Wetteifern um
Gefälligkeit die Erste gewesen zu sein. Es gibt auch in den sizilischen
Gegenden Städte und Waffen und den berühmten Acestes von trojanischem Blut. Es
sollte erlaubt sein, die Flotte, die vom Sturm erschüttert ist, ans Land zu
führen und aus Bäumen Balken zu machen und die Ruder zu glätten, wenn das Recht
gegeben wurde, nach Wiederkehr von Gefährten und König auf Italien Kurs zu
nehmen, damit wir fröhlich nach Italien und Latium streben; wenn die Hoffnung
auf Rettung aber entrissen wird und dich, bester Teucrervater, das Libysche
Meer hat und keine Hoffnung mehr auf Julus besteht, lass uns doch wenigstens zu
den Meerengen Siziliens und den Wohnsitzen, die dort bereit stehen, von denen
wir hier her gefahren sind, und zu König Acestes aufbrechen." Solche Worte
sprach Ilioneus; da murmelten alle Dardaniden gleichzeitig.
Dido
senkt darauf ihr Antlitz und antwortet kurz; "Entlaßt aus euren Herzen die
Furcht, Teukrer, und verwerft eure Sorgen. Durch harte Bedingungen, und weil mein
Reich noch jung ist, bin ich gezwungen, solche Maßnahmen zu treffen und die
Grenzen überall durch Wachposten zu schützen. Wer kennt nicht das Geschlecht
der Aeneaden, wer kennt nicht die Stadt Troja, ihre Helden und deren Taten und
die Brände dieses verheerenden Krieges? Wir Punier haben nicht so fühllose
Herzen, Sol schirrt nicht so weit entfernt von der Stadt der Tyrier seine
Pferde an! Wo ihr euch auch niederlassen möchtet, im großen Hesperien oder auf
den Äckern Saturns oder im Gebiet des Eryx unter dem König Acestes, ich will
euch mit Hilfe wohlversehen entlassen und euch mit dem Notwendigen helfen.
Wünscht ihr aber, in meinem Reich gleichberechtigt seßhaft zu werden, so soll
die Stadt, die ich soeben erbaue, euch gehören. Ziehe eure Schiffe an Land!
Zwischen Troer und Tyrier mache ich fortan keinen Unterschied. Und wäre doch
euer König Aeneas, von demselben Südwind verschlagen, selbst jetzt bei uns!
Gleich sende ich verläßliche Boten zur Küste und heif3e sie, in ganz Libyen
nach ihm auszuschauen, ob er irgendwo in die Wälder verschlagen ist oder in
anderen Städten umherirrt." Diese Worte richteten den tapferen Achates und
Vater Aeneas auf, und sie brannten schon lange darauf, aus der Nebelwolke
hervorzubrechen. Zuvor wandte sich Achaces an Aeneas: "Sohn der Göttin, zu
welcher Ansicht bist du jetzt gekommen? Du siehst, alles steht gut für uns. Die
Flotte und unsere Gefährten sind gerettet! Nur einer Fehlt: Wir sahen ihn
selbst in den Fluten versinken. Doch sonst entspricht alles den Worten deiner
Mutter." Kaum hatte er dies gesagt, da zerriß plötzlich die Nebelhülle und
entwich in den klaren Aether. Da stand Aeneas wieder, und im hellen Tageslicht
leuchteten sein Gesicht und seine Schultern gleich einem Gott. Denn seine
Mutter hatte über ihren Sohn die Pracht des Lockenhaares, den Purpurglanz der
Jugend und in seine Augen eine heitere Würde gehaucht. So verleiht die Hand des
Künstlers Zierlichkeit dem Elfenbein oder umrahmt mit hellem Golde Silber und
parischen Marmor.
Da richtete er plötzlich, für alle unerwartet, das Wort an die Königin:
"Ich bin es persönlich, den ihr sucht, der Trojaner Aeneas, gerettet aus
den libyschen Wellen. Oh die sich als einzige den unsäglichen Leiden Trojas
erbarmt hat, die uns, den Rest der Danäer, bereits erschöpft von den
Unglückfällen zu Lande und zu Wasser, bedürftig in jeder Hinsicht an der Stadt,
ihrem zuhause teilhaben lässt; gebührenden Dank abzustatten, vermögen weder
wir, Dido, noch das, was überall von den Dardanäern übrig ist, was über den
großen Erdkreis verstreut ist.
Messy am 19. 5. 2001Die Götter sollen dir, wenn irgendwelche göttlichen Wesen
Gottesfürchtige beachten, wenn es irgendwo irgendein Bewusstsein für
Gerechtigkeit und das Richtige gibt, würdige Belohnungen bringen. Welche
glücklichen Jahrhunderte haben dich hervorgebracht? Welche so bedeutende Eltern
haben eine solche Tochter hervorgebracht? Solange die Flüsse in die Meerenge
fließen, solange Schatten die Talkessel über den Bergen erhellen, solange der
Himmel die Gestirne weidet, werden immer deine Ehre, dein Name und dein Ruhm
bestehen, welche Länder mich auch immer rufen." So sprach er und reicht
dem Freund Ilioneus die Rechte, dem Serest die linke, danach den anderen und
dem tapferen Gyas und dem tapferen Cloanthus.
Zuerst staunte die Sidonerin Dido über den Anblick, denn über das so große
Unglück des Mannes und sprach dann so: "Oh Sohn einer Göttin, was für ein
Unglück verfolgt dich durch so große Gefahren? Welche Gewalt treibt dich an
unsere unwirtlichen Küsten? Bist du jener Aeneas, den die segenspendende dem
Dardaniden Anchises beim Ufer der Phrygischen Simois geboren hat?
Und freilich erinnere ich mich daran, dass ein Teucrer nach Sidonien kam, der
aus seinem heimatlichen Gebiet vertrieben war, und der ein neues Reich
erstrebte mithilfe des Belus; mein Vater Belus verwüstete damals das reiche
Zypern und hielt es siegreich in seinen Händen. Schon aus jener Zeit war mit
der Fall der Trojanischen Stadt, dein Name und die pelasgischen Könige bekannt.
Obwohl er selbst Feind war, rühmte er die Teucrer hoch und wollte, er sei aus
dem alten Stamm der Teucrer entstanden. Deshalb los und kommt in mein Haus,
Männer. Auch mich, die ein ähnliches Schicksal so viele Jahre hin und herwarf,
ließ mich endlich auf dem Land Fuß fassen; ich, die von dem Übel nichts weiß,
lerne, Armen zu Hilfe zu eilen."
So erwähnt sie es; gleichzeitig kündigt sie ein Ehrenopfer in den Tempeln an.
Und inzwischen schickt sie den Bundesgenossen nicht weniger als 20 Stiere, 100
borstige Rücken von großen Schweinen, 100 fette Lämmer mit ihren Müttern,
Geschenke zu diesem Freudentag. Doch der Innenraum des Hauses wird mit
königlicher, glänzender Tracht ausgeschmückt, und man bereitet mitten im Palast
ein Gastgelage: kunstvoll gearbeitete Decken, und mit prachtvollem Purpur,
zahlreiches Silbergeschirr auf den Tischen, und die Heldentaten der Väter in
Gold getrieben, eine lange Reihe an Erfolgen durch so viele Männer vom Ursprung
des alten Stammes geführt.
Aeneas
schickt (denn die väterliche Liebe lässt den Geist nicht zur Ruhe kommen) den
schnellen Achates zu den Schiffen voraus, um dies Ascanius zu berichten und ihn
selbst zu den Stadtmauern zu führen; die ganze Sorge des lieben Vaters liegt in
Ascanius. Außerdem befiehlt er Geschenke, die aus den ilischen Ruinen entrissen
sind, zu bringen, einen Mantel mit Goldfiguren bestickt und ein Umhang umsäumt
mit safrangelben Akanth, Schmuckstücke der Argiverin Helena, die sie aus Mykene
als sie unerlaubte Hochzeitsbilder in Pergama erstrebte, weggebracht hatte, ein
wundersames Geschenk der Mutter Leda; außerdem ein Szepter, das Ilione einst
geführt hatte, die älteste der Kinder von Priamus, und eine perlenbesetzte
Halskette, und eine Doppelkrone mit Edelsteinen und Gold. Um dies schnell
auszuführen hielt Achates den Weg auf das Schiff zu. Doch Cytherea schmiedet
neue Listen, neue Pläne in ihrer Brust, damit Cupido (d. h. Venus) in Gestalt
und Gesicht anstatt des süßen Ascanius kommt, und die Königin durch Geschenke
in leidenschaftlicher Liebe entflammt und ihren Gebeinen Leidenschaft
einhaucht. Freilich fürchtet sie die Verschlagenheit des Königshauses und die
tyrische Doppelzüngigkeit (Messy sez: Daran denken: Didos Bruder hat aus
Geldgier gemordet!!!); die wütende Juno brennt und in der Nacht kehrt die Sorge
zurück. Also spricht sie dies zu dem geflügelten Amor: "Mein Sohn, meine
Kraft, meine große Macht, Sohn, der allein die typhoneischen Geschütze des
höchsten Vaters verachtest, zu dir flüchte ich mich und fordere flehend um
deine Macht. Dass dein Bruder Aeneas auf dem Meer und um alle Küsten
herumgeworfen wird durch den Hass der bitteren Juno, ist dir bekannt, und du
hast oft meine Schmerzen geteilt. Nun hält die Phönikerin Dido ihn und hält ihn
mit schmeichelnden Worten auf, und ich fürchte, wohin sich die Gastfreundschaft
der Juno hinwendet: an einem so bedeutenden Angelpunkt der Geschehnisse wird
sie nicht rasten. Deshalb sinne ich, vorher die Königin mit Listen zu umgarnen
und in heißer Liebe zu fesseln, damit sie sich nicht durch diese Macht ändert,
sondern in großer Liebe zu Aeneas festgehalten wird. Wie ich das machen kann,
empfange nun meine Überlegung: auf den Ruf des lieben Vaters hin, bereitet sich
der königliche Junge darauf vor, zur Stadt Sidonia zu gehen, meine größte
Sorge, und Geschenke zu bringen, die aus dem Meer und den Flammen Trojas übrig
geblieben sind; nachdem ich diesen einschlafen habe lassen, werde ich ihn im
hohen Cythera-Gebirge oder über dem Idalium an einem geheiligten Ort bewahren,
damit er weder etwas von unseren Listen weiß als auch ihnen hindernd dazwischen
treten kann. Du täusche in einer List seine Gestalt vor, eine Nacht lang, nicht
länger, und nimm als Junge die bekannten Gesichtszüge des Knaben an, damit,
wenn dich die fröhlichste Dido in ihrem Schoß empfängt zwischen königlichen Tischen
und Lyaeums-Wein, wenn sie dir Umarmungen und süße Küsse gibt, verborgenes
Feuer einhauchst und mit Gift betörst." Amor gehorcht den Worten seiner
lieben Mutter und streift die Flügel ab und mit dem Schritt des Julus schreitet
er freudig einher. Doch Venus gießt dem Ascanius eine sanfte Ruhe durch die
Glieder und die Göttin hebt ihn im Schoß gehegt in die hohen Haine Idalias, wo
ihn leichter Majoran in voller Blüte umduftet und süßen Schatten umfasst.
Cupido indessen ging gehorsam und brachte die königlichen Geschenke fröhlich,
geführt von Achates, den Tyriern. Als er eintraf, hatte sich die Königin schon
im prächtigen Speisesaal auf goldener Liegestatt niedergelassen und den Platz
in der Mitte eingenommen. Eben treten auch der Vater Aeneas und die trojanische
Jugend herzu und lagern sich auf die Purpurteppiche. Diener reichen Wasser zum
Händewaschen, bieten aus Körben Brot an und halten den Gästen ihre
kurzgeschorenen Köpfe als Tücher hin. Fünfzig Dienerinnen sind im Haus,
beauftragt, der Reihe nach die Speisen Gang für Gang herbeizubringen und
Opfergaben für die Penaten zu verbrennen. Hundert andere Dienerinnen und ebenso
viele gleichaltrige Diener setzen auf die Tische die Last der Gerichte und
stellen die Weinbecher auf. Auch zahlreiche Tyrier kommen Ciber die heitere
Schwelle herein und lassen sich nach Aufforderung auf die bestickten Polster
nieder. Sie bewundern die Geschenke des Aeneas, bewundern Julus und das
strahlende Antlitz des Gottes und die Worte, die er ihm nachahmt, ebenso den
Mantel und das Gewand, bestickt mit der gelben Akanthusborte. Aber vor allem
die Punierin, die Unglückselige, preisgegeben dem nahenden Verhängnis, kann
sich nicht sättigen; sie erglüht bei diesem Anblick und ist von den Geschenken
und dem schönen Knaben gleichermaßen bewegt. Der aber, kaum daß er Aeneas
umarmt und an seinem Hals verweilt und so der innigen Liebe des vermeintlichen
Vaters Genüge getan hat, läuft weiter zur Königin. Sie hängt mit den Augen an
ihm und mit ihrer ganzen Seele, und manchmal nimmt Dido ihn zu sich auf den
Schoß und liebkost ihn und ahnt nicht, die Arme, welch ein mächtiger Gott von
ihr Besitz ergreift. Er aber, getreu seiner Mutter Aeidalia, beginnt allmählich
Sychaeus auszulöschen und versucht ihr Herz, das schon längst abgeklärt und solcher
Gefühle nicht mehr gewohnt ist, mit lebendiger Liebe zu gewinnen. Sobald die
erste Ruhe der Sättigung eintritt und die Tische fortgetragen sind, werden
große Krüge gebracht und Weinbecher umkränzt. Festlärm erhebt sich in den
Sälen, und Stimmengewirr tönt durch die weite Halle. Von den goldgetäfelten
Decken hängen brennende Leuchter herab und erhellen mit feierlichem
Fackelschein das Dunkel. Die Königin verlangte nun den schweren Opferpokal aus
Gold und geschnittenen Steinen, füllte ihn mit ungemischtem Wein, wie Belus es
getan und alle, die ihn nach Belus gebraucht hatten. Plötzlich herrschte
Schweigen in allen Räumen. "Jupiter, der du, wie man sagt, den Gästen ihre
Rechte gewährst, gib, daß dieser Tag den Tyriern und den Ankömmlingen aus Troja
ein Freudentag werde, auf daß unsere Enkel noch seiner gedenken! Bacchus, der
Freudenbringer, und die gütige Juno sollen bei uns sein! Und ihr, o meine
Tyrier, feiert das Fest mit eurer besten Laune!" So sprach sie. Und sie
goß einen Opfertrank über den Tisch, und nach dem Opfer kostete sie als erste
nur mit den Lippen. Dann reichte sie den Kelch weiter an Bitias mit lautem
Zuruf. Der griff wacker zu und trank aus dem überschäumenden Pokal und leerte
das Goldgefäß. Nach ihm tranken die anderen Fürsten. Nun schlug die vergoldete
Kithara der lockige Jopas, den der Riese Atlas unterrichtet hatte. Er besang
den Wechselgang des Mondes und die Werke der Sonne, die Herkunft von Menschen
und Tieren, den Ursprung von Regen und Feuer, auch den Arktur und das
regenbringende Sternbild der Hyaden, das Paar der Trionen, und er sang auch
davon, warum im Winter die Sonnen so eilig wieder im Ozean untertauchen und
weshalb dann die Nächte so lange sich hinziehen. Die Tyrier spendeten ihm
lärmenden Beifall, und die Troer schlossen sich an. Und in wechselnden
Gesprächen zog die unglückselige Dido die Nacht in die Länge und trank die
Liebe in reichlichen Zügen. Vieles wollte sie über Priamus wissen, vieles auch
über Hektor, bald auch, mit was für Waffen der Sohn der Aurora gekommen, bald von
welchem Aussehen die Pferde des Diomedes und von welcher Statur Achilles
gewesen. "Weiter, mein Freund, und erzähle uns alles von Anbeginn",
bat sie, "die Hinterlist der Danaer und den Untergang der Deinen und deine
Irrfahrten. Denn schon den siebenten Sommer bist du ja unterwegs und irrst
umher zwischen Ländern und Meeren."